Regenbogenbibliothek
Die Regenbogenbibliothek ist eine Anlaufstelle für queere und queerfreundliche Menschen, die sich für Bücher mit LBGTIAQ+-Bezug interessieren.
Regina (sie), Priscilla (sie), Laura (sie/er/keine), Jaqueline (sie), Fabian (er), Julia (sie), Rahel (sie) und viele weitere
2021, mit Prämierung
Impressionen
Interview
Was hat euch zu diesem Projekt inspiriert?
Wir leben in einer Welt, die sich den queeren Themen und Anliegen immer mehr öffnet. Trotzdem gibt es weiterhin viel zu tun: Noch immer ist das Thema «Queer» stigmatisiert, es gibt zahlreiche Vorurteile, zu viele Hate Crimes und Konversionstherapien, und viel zu wenige Rechte für trans und intergeschlechtliche Menschen.
Oft wird in der Öffentlichkeit das Queersein nur einseitig und wenig tiefgehend beleuchtet. Die Anliegen, Wünsche und Ängste von queeren Menschen gehen weit über die Ehe für Alle hinaus. Besonders dem Bereich Geschlechtsidentität schlägt aus der Gesellschaft noch Unverständnis und Unwissen entgegen.
Queere sowie nicht-queere Menschen möchten sich mit sich selbst auseinandersetzen, sich vernetzen, sich in einem sicheren, vorurteilsfreien Raum bewegen.
Sie möchten tiefschürfender über LGBTIAQ+-Themen Bescheid wissen, Rollenbilder kritisch hinterfragen, ihre Kinder auf inklusive Art aufklären oder neue Perspektiven auf das menschliche Zusammenleben- und lieben erhalten.
Was ist das Ziel eures Projekts?
Die Bibliothek möchte eine Anlaufstelle sein für queere und queerfreundliche Menschen, die sich für Bücher mit LBGTIAQ+-Bezug interessieren.
Was ist eure genaue Projektidee?
Die Bibliothek möchte als Antwort darauf 3 Zwecke erfüllen:
Zum einen möchte sie einen Raum bieten für queere sowie nicht-queere Menschen, die sich vertiefter mit der Materie von Geschlechtlichkeit, Körper, Sexualität und Identitäten auseinandersetzen, sich weiterbilden möchten, Rat suchen oder sich einfach repräsentiert sehen wollen.
Sie möchte ausserdem Geschichten zugänglich machen, die gegen den Strom schwimmen, mit Stimmen, die bislang nicht oder zu wenig gehört wurden. In der Zusammenstellung der Medien will sie den literarischen Kanon aktiv hinterfragen und ergänzen.
Drittens: Die Regenbogenbibliothek entstand in Zusammenarbeit mit dem Regenbogenhaus Zürich, das verschiedenen queeren Organisationen als Zuhause dient und als Begegnungsort für queere Menschen angedacht ist. Hier finden Beratungen, Events, Treffs, Lesungen und vieles mehr statt. Im selben Kontext ist die Regenbogenbibliothek zu verstehen. Sie soll ein offener Raum sein für Begegnungen, für eine Gemeinschaft, für die Weiterbildung, ein Safer Space (Das Komparativ soll aufzeigen, dass ein “safe space” nicht genügt, bzw. unerreichbar ist: Um einen sicheren Raum fern von Diskriminierung zu schaffen, braucht es tägliche Arbeit).
Wir führen Sachbücher, Belletristik und Comics auf Deutsch und Englisch, für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu lesbischen, schwulen, bi, trans, non-binären und inter Themen, sowie Bücher über Asexualität und Aromantik. Einen besonderen Fokus legen wir auf Geschlechterrollen: Wir haben ein breites Angebot an Kinderbüchern mit vielfältigen Rollenbildern. Des Weiteren finden wir auch die Thematik Intersektionalität sehr wichtig (Geschlecht, Race, Sexualität, Herkunft, Aussehen, Alter, Beeinträchtigung, sozialer Status oder Klasse), da Formen der Diskriminierung nie getrennt angesehen werden können. Auch zu mentaler Gesundheit, Aktivismus und verschiedenen Beziehungsformen, die von der monogamen Norm abweichen, führen wir Titel.
Wir sind circa 25 Menschen, die sich unterschiedlich stark engagieren. Wir haben Menschen mit den verschiedensten Hintergründen, sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten, die sich freiwillig bei diesem Projekt betätigen und somit jeweils ihre eigenen Ideen, Wünsche und Know How miteinbringen. Zum Beispiel haben Rahel, eine Kindergärtnerin, und Johanna, eine Grundschullehrerin, die Kinderbuchlesungen ins Leben gerufen. Laura, Jaqueline und Regina – alle drei Buchhändler*innen – sind nicht nur tief im Thema drin, sondern haben auch die Chance, nicht nur die Bibliothek, sondern auch ihre eigenen Buchhandlungen bunter zu machen. Es entsteht ein Austausch, der in mehr als nur eine Richtung geht.
Je mehr Bekanntheit wir erlangen, desto mehr erhalten wir auch Buchtipps aus der «Community». Menschen teilen mit uns, welche Bücher ihnen bei der Selbstfindung oder dem Coming Out halfen, welche Bücher sie als Menschen weitergebracht haben, oder welche ihnen die Augen für andere Lebensrealitäten öffneten. Aus all diesen Inputs formen wir unser Angebot. Auch sind immer mehr Leute, die unsere Bibliothek besuchen, interessiert daran, mitzuhelfen. Unsere Bibliothek wächst, an Büchern und an tollen Menschen, ob zu Besuch oder im Projekt engagiert.
Welche Vision habt ihr für euer Projekt?
Die Bibliothek möchte eine Anlaufstelle sein für queere und queerfreundliche Menschen, die sich für Bücher mit LBGTIAQ+-Bezug interessieren.
Was habt ihr bis jetzt konkret gemacht?
Die Regenbogenbibliothek wurde im Juni 2021 offiziell eröffnet. In seiner jetzigen Form startete das Projekt Regenbogenbibliothek aber bereits Ende letzten Jahres (2020). Seither organisieren die Leads der Bibliothek alle paar Monate ein Meeting der gesamten AG Bibliothek, in der alle Bereiche angesprochen werden und man diskutiert, was gerade aktuell ist.
Wir organisieren uns in verschiedene AGs:
Es gibt die AG Medienauswahl, die AG Systematik (alles was mit dem physischen und elektronischen Aufnehmen der Bücher in die Bibliothek zu tun hat), die AG Veranstaltungen und die AG Finanzierung/Finanzen.
Die AG Medienauswahl entscheidet, welche Bücher in die Bibliothek aufgenommen werden. Hier haben wir die Unter-AGs Lesbisch/Bi (wlw), Schwul/Bi (mlm) und TIANQ+. Wir tätigen etwa 4x im Jahr eine Grossbestellung der neuen Bücher (ca 200 Titel insgesamt). Die gilt es dann einzulesen ins System (=AG Systematik). Das heisst, zu dieser Zeit gibt es immer am meisten zu tun.
Jeden zweiten Samstag empfangen Mitglieder unseres Teams (zusätzlich zu den regulären Regenbogenhaus-Öffnungszeiten) Menschen in der Bibliothek, beraten sie und beantworten ihre Fragen. Ausserdem kümmern sie sich dann um anfallende Aufgaben vor Ort (Bücher-Retouren, Anmeldeformulare, Aufräumen etc.).
Dazu planen wir und führen Veranstaltungen durch:
– Die Lesungs-Reihe Queer Beet: Hier lesen Mitglieder der Regenbogenbibliothek aus ihren Lieblingsbüchern vor, es gibt jeweils einen prominenten queeren Überraschungsgast.
– Die Kinderbuchlesungen, die 1x im Monat stattfinden.
Ausserdem geben wir einen Newsletter heraus.
Wir beantworten Emails und kommunizieren mit Besuchenden und Interessierten sowie auch mit dem Vorstand des Regenbogenhauses. Dies nimmt zusammen mit dem Einlesen der neuen Bücher ins Bibliotheks-System und dem Besetzen der Öffnungszeiten am meisten Zeit ein.
Für die engagierteren Mitglieder der Bibliothek bedeutet dies pro Person einen durchschnittlichen Einsatz von mehreren Stunden in der Woche.
Was ist für die Zukunft des Projekts geplant?
Als erstes möchten wir uns noch mehr etablieren und unseren Bekanntheitsgrad erweitern. Dies geht natürlich Hand in Hand mit der Reichweite des Regenbogenhauses. Bis jetzt führen wir nur Bücher. Filme sind unser nächster Meilenstein. Die AG Filme, Serien & Streaming leistet hier bereits die Basisarbeit. Ausserdem sind weiterhin die Kinderbuchlesungen und Lesungen in der Reihe Queer Beet geplant. Vermehrt interessieren sich Organisationen (zum Beispiel Kitas, Schulen) für unser Sortiment als Orientierung für eigene Anschaffungen. Das wollen wir noch mehr fördern. So sind wir gerade daran, einen Flyer/Informationsbroschüre für Schulen, Kindergärten und dergleichen zu entwerfen. Auf diesem Flyer möchten wir auch für die Kinderbuchlesungen werben.
Wir möchten unseren guten Standort mit der eng verbandelten Nachbarschaft noch mehr nutzen. So fanden beispielsweise bei unserer (ebenfalls queer geführten) Nachbarin, dem Café und Kulturort «Gleis», unsere Queer Beet-Lesungen statt.
Über die Lesungen hinaus möchten wir in Zukunft unser kulturelles Angebot erweitern: Talks, Musik, Experimente, literarische Exkursionen – wir sind offen für neue Ideen und Konzepte.
Bis im November werden wir etwa 600 Medien bei uns in der Bibliothek haben (wir sind gerade im Prozess des Bestellens und ins System Aufnehmens neuer Bücher). Eines unserer konkretesten Ziele ist sicher, die Bibliothek mit Büchern auszubauen, die am Puls der Zeit sind, bis wir unsere Kapazität von circa 3000 Medien erreicht haben.
Im Bewusstsein, dass eine allumfassende Repräsentation von queeren Identitäten unmöglich ist, sind wir offen und dankbar für Inputs von allen Menschen.
Wir werden weiterhin den Fokus darauflegen, Tipps aus der «Community» mit aktuellen gesellschaftlichen Strömungen zu vereinen und immer auf dem neusten Stand zu sein.
Ausgehend von queeren Themen möchten wir kontinuierlich alternative Liebens- und Lebensweisen beleuchten und die Intersektionalität nie ausser Acht lassen.
Und dabei nicht nur anderen die Möglichkeit geben, zu lesen und zu lernen, sondern auch ganz fest uns, dem Team der Regenbogenbibliothek.
Was war ein Highlight eures Projekts?
Die positiven Rückmeldungen, der stetige Zuwachs im Team an Freiwilligen und die schönen Begegnungen mit den Besuchenden und innerhalb des Teams – So viel Solidarität!
Begriffserklärungen
Queer: Personen, Handlungen oder Dinge, die durch den Ausdruck einer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität von der gesellschaftlichen Cisgender-Heteronormativität abweichen. (Quelle: Wikipedia)
LGBTIAQ+
- Lesbisch, schwul, bisexuell, asexuell/aromantisch: Sexuelle und romantische Orientierung
- trans: Geschlechtsidentität
- inter: Geschlechtsmerkmale
- queer/questioning: kann alle Bereiche betreffen